Einführungsrede zur Ausstellung

Georg Raab    - Objekte

Matin Becker  - Malerei

Jacke wie Ferkel

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Heute eröffnen wir eine Doppelausstellung von zwei Künstlern. Georg Raab aus Köln und Martin Becker vom Bodensee, die sich hier zu einer gemeinsamen Ausstellung unter dem Motto „Jacke wie Ferkel“ zusammengefunden haben.
M.B und G.R. sind seit Jahren befreundet. Beide haben an der Freien Kunstschule Mannheim studiert. Dort haben sie sich auch kennen gelernt. 

Der Titel der Ausstellung „Jacke wie Ferkel“ weißt auf einen ironischen Umgang mit dem Thema Kunst hin. Dies ist besonders in der Bilderreihe von M.B. und in den Bildbeschreibungen von G.R. zu erkennen. Aber auch auf eine ironische Betrachtung des Alltags, wie wir dies in der Kleiderordnung und in den Leertafeln von Georg Raab sehen.

Trotz der kleinen Raumfläche der Galerie hat es sich so ergeben, dass diese Ausstellung sehr groß in ihrem Informationspotenzial geworden ist. Ich bitte sie deswegen, sich anschließend die Zeit nehmen, um die ausgestellten Bildobjekte näher kennen zu lernen. Besonders die Bildbeschreibungen von Georg Raab im hinterem Raum und Leertafeln im ersten Raum sind nicht nur zum anschauen, sondern auch zum lesen.
Aber wir haben auch viele kleine Bildobjekte von Martin Becker, von denen jedes eine genaue Betrachtung verdient.
Die Ausstellung heißt „Jacke wie Ferkel“. Martin Becker in seiner Ferkel-Hälfte zeigt uns eine Bilder-Reihe, (die ich auch in der Einladung Schweine-Reihe genannt habe). Diese Bilder-Reihe könnte man als Persiflage der deutschen Malerei der Romantik interpretieren. Dabei M.B. zitiert oft die sehr bekannten Bilder von Caspar David Friedrich, oder auch von Spitzweg oder Böcklin. In diese fügt er gekonnt die Schweine als Runninggag ein.

C.D. Friedrich hat am Anfang seines Schaffens ein Bild gemalt, in dem ein Liebespaar in der Laube dargestellt wird. Später hat er im Bild „Der Winter“ das Liebespaar durch einen alten Wandermann ersetzt: die Lebensfreude ist dem Bewusstsein um die Vergänglichkeit allen Lebens gewichen. M.B. seinerseits hat diese durch Schweine ersetzt.
Wenn Sie die Bildobjekte von M.B. betrachten, werden sie die Ihnen schon bekannte Landschaften von C.D.Friedrich erkennen, z.B. im Bildobjekt „Nachts sind alle Schweine grau“ erkennen wir „Winterlandschaft“ von Jahre 1811 oder im „Schwein im Eichwald“ das berühmte Gemälde „Abtei im Eichwald“, die im Berliner Schloss Charlottenburg zur Zeit aufbewahrt wird. Anstatt des Trauerzugs der Mönche hat M.B. ein sich gemütlich auf dem Sofa gestrecktes Schwein reingesetzt. Ein anderes sehr bekanntes Bild von C.D.Friedrich, das M.B zitiert, ist „Der Mönch am Meer“, der auch seinerzeit vom preußischen Kronprinz erworben wurde zusammen mit „Abtei im Eichwald“. Das Bild war zum Sinnbild der Verlorenheit des Menschen, der sich gegenüber der gewaltigen Natur seiner Kleinheit bewusst wird. 
Hier aber sehen wir ein „Schwein am Meer“, der in die Betrachtung der Natur versunken ist. 
Das Bild „Frau am Fenster“ vom C.D.F aus dem Jahre 1822, in dem er seine Frau dargestellt hat, die vom Fenster in die Ferne blickt, wird hier zum „das Schwein am Fenster“ von M.B.
Noch ein Bild von C.D.F., „das Eismeer“ oder „Die gescheiterte Hoffnung“ (das übrigens C.D.F. nicht verkaufen konnte), hat M.B. zum „Die gescheiterte Sau“ wiederbelebt. Hoffentlich wird die Sau in dem Eismeer wiedergefunden und heil zu ihrem üblichen Wohnort oder zum Metzger gebracht.

Der „Jacke“ –Teil der Ausstellung befindet sich offensichtlich im erstem Raum, und hier ist dominierend die Kleiderordnung von Georg Raab. Dieses großes Bild ist zusammengesetzt aus Fotos, die G.R. selbst darstellen. In gleicher Position, aber in immer anderer Kleidung.
Diese Kleidungskombinationen hat G.R. für uns geschaffen. Für jede Stunde und jeden Tag der Woche wie auf einem Netz visuell gespeichert. Damit wir uns nicht mehr so sehr viele Gedanken machen über eine so zweirangige Sache, wie was ziehe ich mir heute oder jetzt an.
Die Idee ist absolut einfach und einsetzbar in jedem Haushalt: sie nehmen, so wie es auch G.R. gemacht hat, die Kleidungsstücke, die sie in Ihrem Schrank haben, geben jedem Kleidungsstück eine Nummer, und dann würfeln sie die Kombinationen der Kleidungstücke. Diese können sie entweder aufschreiben oder fotografieren, so wie es G.R. gemacht hat. Die Reihenfolge der Kombinationen hat G.R. auch gewürfelt. Man kann behaupten, dass alles in entstandener Tabelle ist dem Zufall überlassen. In erstem Raum ist auch eine Fotokopie des großen Bildes zu sehen. Diese ist in einer Auflage von 20 Stück gedruckt worden.

Im erstem Raum befinden sich auch die Leertafeln von Georg Raab. Dabei handelt es sich um Abbildungen von Zimmerpflanzen, die in Collagetechnik mit einem Bezug zu jeweils einem Wort angeordnet sind. Dieser Bezug ist manchmal offensichtlich, und zwar immer einmal pro Tafel, da das Wort den Namen der Zimmerpflanze bezeichnet. Manchmal trifft das Wort sehr gut auf Aussehen der Zimmerpflanze zu, obwohl kein logischer Zusammenhang besteht. 
Die einzelnen Wörter binden sich wiederum zu einem Satz, der manchmal mehr, manchmal weniger ein Sinn zu haben scheint. 
Außer den drei ausgehängten Tafeln kann man auch bei Interesse auch noch weitere sechs anschauen, die wird aus Platzmangel nicht aufhängen konnten.

Mit seinen Bildbeschreibungen wurde G.R. Preisträger des Weldekunstpreises im Jahr 1999. Bei dieser Serie handelt es sich um die wohl bekanntesten Photos des 20. Jahrhunderts, wie z.B. der ersten Menschen auf dem Mond. Diese Photos überschreibt Raab mit ihrer eigentlichen Bildbeschreibung. Bildbeschreibung ist ein Fachausdruck der Kunstgeschichte. Dabei muss man nach der Methode von Panofsky beim betrachten des Bildes die Einzelheiten beschreiben, ohne sie zu nennen. Anders ausgedrückt, wenn wir einen Regenbogen sehen, dürfen wir ihn nicht Regenbogen nennen, sondern bezeichnen ihn als Bogen, bestehend aus 7 Farben, u.s.w.
Der Zweck ist: sich nicht frühzeitig bei falscher Benennung auf den falschen Pfad der subjektiven Interpretationen führen zu lassen.


© Natalia Offermanns
Galeristin