Blau der Unendlichkeit

AUSSTELLUNG: Galerie Pantchenko zeigt „Feuer und Eis“
Von unserer Mitarbeiterin Ulrike Soltendiek
Der Unterschied zwischen den Kulturen könnte nicht größer sein: Hier eine Künstlerin aus dem Kaukasus, deren Bildwelten leuchtende Farben bestimmen. Dort ein deutscher Maler, der sich in seinen vorgestellten Arbeiten der absoluten Kühle verschrieben hat. Folgerichtig heißt die aktuelle Schau in der Mannheimer Galerie Pantchenko auch „Feuer und Eis“. Die ausstellenden Künstler sind Eva Kudukhashvili und Martin Becker.

Gleich im Eingangsraum steht man den Gemälden von Martin Becker gegenüber. An allen Wänden: Blau. Es ist ein kaltes, ein unnahbares Blau, das der Künstler eingesetzt hat. Ein Blau der Unendlichkeit, der Kälte, des Frostes. In dieser endlosen blauen Kälte gibt es auch grüne Reflexe, partienweise ein wenig Türkis. Trotz der Kältewirkung, die man über das Auge aufnimmt, sind die dargestellten Landschaften grandios und beeindruckend: Martin Becker war in Grönland, auf Island. Dort hat er das real Gesehene fotografiert und es in großformatigen Landschaftsgemälden umgesetzt. Natürlich können dies nicht mehr die wirklich gesehenen Landschaften sein. Vielmehr verdichten sich während des Malprozesses die erinnerten Bilder zu denen, die dann auf der Leinwand entstehen. Hier könnte man an die Ideallandschaften nach Art der Romantiker denken. „Eismeer“ und „Gletscherabbruch“ sind die Titel dieser Gemälde, sie führen in die unendlichen Weiten des Nordmeeres treibende, sich reibende und übereinander schiebende Schollen mit zahllosen Aufbrüchen und Rissen torkeln im kaltblauen Wasser. In der Ferne verdichtet sich die Materie zu eisigen Bergketten, die am Horizont zu fahl­blauen Massiven ansteigen.

Auch die Szene „Plattenbau“ ist eher abweisend. Martin Becker hat sie so in Kiew gesehen, aber sie wäre in anderen Großstädten ebenso denkbar. Trostlos und ohne Schattenwurf stehen die eintönigen Häuserfronten in kränklich-fahlen Grünschattierungen unter trüb graublauem Himmel. Wie um noch mehr Distanz zu den Häusern zu schaffen, beherrscht eine riesige Straßen-Brücken-Anlage den Vordergrund des Bildes. Ein totes, menschenleeres Areal.

Mit einem letzten leichten Frösteln wen­det man sich den Bildern von Eva Kudukhashvili zu. Bei ihr wärmen die Farben, ja, oftmals glühen sie sogar. Mit großzügiger, flächiger Farbigkeit entwirft die Künstle­rin kleine Szenen des täglichen Lebens: Die tanzende Zigeunerin im roten Kleid, den Gitarrenspieler. Starke Körper mit ausgeprägten Rundungen beim „Lambada“. Die Landschaften sind ebenfalls kraftvoll und farbig, bei „Voller Mond“ gibt es gelbe und rote Pferde, das Firmament leuchtet Rosa, Pink und Lila. Die Gemälde zeugen von ungestümer Ausdrucksfreude, einer Freude, die sich dem Betrachter mitteilt.

 

© Mannheimer Morgen   –   14.06.2000